Heinrich Schütz: Veni Sancte Spiritus. Geistliches Konzert SWV 475, (um 1614)

 

 

Heinrich Schütz
geboren 18. Okt. 1585 in Köstritz
gestorben 16. Nov. 1672 in Dresden

Besetzung:

für 7 Favorit-Sänger und 9 Obligatinstr. in 4 Chören mit Bc: 2 S, Fg; B, 2 Ctto (Vl); 2 T, 3 Trb; Ms (Fl o Ctto), A, T, Cb/Bc

Sprache:

lateinisch

Tonart:    

G-Mixolydisch

Textquelle:

Pfingstsequenz, dem Erzbischof Stephen Langton (um 1200) zugeschrieben

 

Zum Text

Diese poetische und existentiell inspirierende Sequenz Veni Sancte Spiritus (nicht zu verwechseln mit dem Hymnus Veni Creator spiritus!) wurde einst Papst Innozenz III. als Autor zugeschrieben. Wahrscheinlich aber ist der englischen Erzbischofs Stephen Langton (geboren um 1150, gestorben 1228 in Slindon, Sussex) der Verfasser . Damals ein berühmter englischer katholischer Theologe wurde Langton zum Kardinal ernannt und später Bischof von Cunterbury. Ihm wird als Bibeltheologe auch die Einteilung der Bücher der Bibel in nummerierte Kapitel zugeschrieben (die verfeinerte Zählung nach Versen folgte dann erst im 16. Jhd.). Politisch war er in die mittelalterlichen Machtkämpfe der Zuständigkeiten zwischen kirchlicher und weltlicher Herrschaft, zwischen König und Bischof, involviert. In ständigen Verhandlungen der Barone mit dem König lehnte er jegliche Rebellion oder Gewalt ab und setzte auf den Weg der Verhandlungen, vertrat aber die Ansicht, dass auch der König sich an Gesetze halten müsse. Dadurch wurde Langton eine Schlüsselfigur bei der Entstehung der berühmten Magna Carta und deren politischer Verfechter gegenüber Kirche und Barone. Sein ihm zugeschriebenes Gebet-Gedicht *Veni Sancte Spiritus* liesse auf ein tiefes spirituelles Innenleben dieses theologisch forschenden und politisch engagierten Menschen schliessen.

Dass diese Sequenz Erzbischof Stephan Langton als berühmter Person zugeschrieben wurde, zeugt aber vor allem für die Wertschätzung dieses Textes durch diejenigen, die durch diese Worte berührt wurden und diese Sequenz zur eigenen Besinnung gerne verwendeten.

Als nach dem Konzil von Trient viele weniger berührende Sequenzen aus der offiziellen katholischen Liturgie ausgeschieden wurden, verblieben im römischen Missale von 1570 nur vier Sequenzen:  das Victimae paschali laudes, das Lauda Sion von Thomas von Aquin, das Dies irae der Totenmesse und eben Veni Sancte Spiritus. Es wurde der Pfingstliturgie zugeordnet.

Zur Vertonung

Erstmals vertont wurde diese Sequenz im Mittelalter. Die neo-gregorianische Melodie der Sequenz Veni Sancte Spiritus ist in einem Manuskript aus Cambridge enthalten. Das Manuskript stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jhd. Aufgezeichnet ist die Melodie in Neumen auf einem fünflinigen Notensystem, anstelle des gregorianischen auf vier Linien. 

In der Musikgeschichte ist diese Sequenz im Unterschied zu Veni creator spiritus weniger oft vertont worden. Eine der bemerkenswertesten Vertonungen dieser Sequenz stammt von einem protestantischen Komponisten. Heinrich Schütz komponierte Veni Sancte Spiritus SWV 475 wohl um das  Jahr 1614, als er von seiner ersten zweijährigen Studienreise aus Venedig zurückkam, wo er von seinem Lehrer Giovanni Gabrieli musikalisch beeinflusst wurde. In Kassel und später in Dresden beeindruckte Heinrich Schütz seine Zeitgenossen mit einem virtuosen Umgang mit Vokalstimmen ebenso wie mit obligaten Instrumenten. Unterschiedliche Besetzungen erweiterten die Klangwirkung seiner Werke.  So vertonte Schütz die Pfingstsequenz Veni Sancte Spiritus polychoral, das heisst: Jede der vier Anfangsstrophen wird von einem eigenen kleinen Chor musiziert, bestehend aus ein oder zwei Vokalisten und wechselnden Instrumenten. Zwei Theorben und die Orgel bilden den Basso continuo.

Hier zu hören (ca. 7 Min.)!

 

Hörbegleiter:

 

Zwei Soprane, begleitet von einem Dulzian (Vorläufer des Fagotts) und dem b.c. der Orgel, bitten zweimal  in einem Dreierrhythmus flehend um das Kommen des Geistes. Mit dem Ausruf "Et emitte", - zweimal nacheinander von den Sopranen gesungen - kommt ein neues musikalisches Motiv dazu, das in der Erweiterung mit «caelitus» (vom Himmel her!) um Erleuchtung bittet. Zweimal insistieren die Dulcians (Fagotts) und bewirken, dass die Soprane ihre Bitte bekräftigen. 

Als zweiter Chor treten nun zur zweiten Strophe zwei Cornetten und ein Bass-Sänger auf. Sie spielen erneut das Veni-Motiv des Anfangs. Der Sänger wendet mit seinen Auf- und Abwärts-koloraturen seinen Blick von oben nach unten zu den Bedürftigen und orientierungs-suchenden Menschen.

Zwei Tenor-Stimmen und drei Trombonen (Vorgänger der Posaunen) bilden den dritten Chor, der in milden Harmonien das Veni-Motiv (auf «consolator») variiert und Trost und Erfrischung bewirken wollen.

Im vierten Chor variieren ein Altus und ein Tenor zusammen mit hohen Instrumenten nochmals das Veni-Motiv für Lebenssituationen wie Mühe, Empörung und Trauer. Im Dreier-Rhythmus drängt die Musik auf einen Höhepunkt zu. 

Dann erstrahlt mächtig das Licht, ein musikalischer Vorschein allen Glücks. Alle Chöre kommen in der Feier des Lichtes («O lux beatissima») zusammen. Der Feier  folgt aber gleichzeitig die Bitte um inneres Licht: «Reple…». 

Die Instrumentalisten stürmen im punktierten Rhythmus voran, wissen um die Abgründe, die jetzt nach dem kurzen Aufschein einer erfüllenden Transzendenz umso mehr nichtig erscheinen. 

Doppelchörig wechseln sich die Sängerinnen und Sänger in neuen Bitten gegen Schmutz, Trockenheit, Verwundungen, Starrheit, Kälte und Verlorenheit gegenseitig ab.  
Am Schluss irren selbst die InstrumentalistInnen allein ihrem aussichtslosen Weg entlang und stoppen ihren Gang.

Zurück im gemeinsamen Bitt-Gebet vereinen sich nochmals alle in Zuversicht auf die unverfügbare, aber tragende Existenzgrundlage des schöpferischen Geistes.

Mit neu anpackender Energie schauen Dichter, Komponist und Musikanten nun voraus auf das, was zu tun und zu erhoffen ist. 

Veni, Sancte Spiritus, 
Et emitte caelitus
Lucis tuae radium.












Veni, pater pauperum, 
Veni, dator munerum, 
Veni, lumen cordium.





 

Consolator optime,
Dulcis hospes animae, 
Dulce refrigerium.




In labore requies, 
In aestu temperies, 
In fletu solatium.




O lux beatissima, 
Reple cordis intima 
Tuorum fidelium. 




Sine tuo numine 
Nihil est in homine, 
Nihil est innoxium.



Lava quod est sordidum, 
Riga quod est aridum, 
Sana quod est saucium. 
Flecte quod est rigidum, 
Fove quod est frigidum, 
Rege quod est devium.




Da tuis fidelibus
In te confidentibus
Sacrum septenarium.


Da virtutis meritum, 
Da salutis exitum,
Da perenne gaudium.

Komm, Heiliger Geist,
Und sende vom Himmel her 
Deines Lichtes Strahl.
 











Komm, Vater der Armen,
Komm, Geber der Gaben,
Komm, Licht der Herzen.







Bester Tröster, 
Süßer Gast der Seele, 
Süße Erfrischung.




In der Mühe bist du Ruhe, 
In Erregung Mäßigung, 
Im Weinen Trost. 




O seligstes Licht, 
Erquicke das Herzensinnere
Deiner Gläubigen. 




Ohne dein Wirken 
Ist nichts im Menschen, 
Nichts unversehrt. 



Wasche, was schmutzig ist, 
Bewässere, was trocken ist,
Heile, was verwundet ist! 
Beuge, was starr ist, 
Wärme, was kalt ist,
Lenke, was vom Weg weg ist!




Gib deinen Gläubigen,
Die auf dich vertrauen,
Die siebenfache heilige Gabe!


Gib der Tugend Lohn,
Gib des Heiles Ausgang (Erfolg),
Gib beständige Freude!

Hinweis für Musikinteressierte:

Website: Unbekannte Violinkonzerte