Robert Schumann: Mondnacht, aus Liederkreis op. 39 (1840)
Robert Schumann
geboren 8. Juni 1810 in Zwickau, Königreich Sachsen
gestorben 29. Juli 1856 in Endenich, Rheinprovinz
Joseph von Eichendorff
geboren 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien
gestorben 26. Nov. 1857 in Neisse, Oberschlesien
Entstehungszeit
des Gedichts: um 1835, 1837 erstmals veröffentlicht
der Vertonung: 1840
Bedeutende Aufnahmen:
1959: Dietrich Fischer-Dieskau und Gerald Moore
1975: Dietrich Fischer-Dieskau und Christoph Eschenbach
1994: Brigitte Fassbaender und Elisabeth Leonskaja
2007: Christian Gerhaher und Gerold Huber
«Mondnacht», aus Schumanns Liederkreis op. 39 nach Gesängen von Joseph von Eichendorff, gehört normalerweise nicht zur Gattung der geistlichen Musik, aber was heisst Gattung schon bei einem solch genialen Beispiel romantisch-religiösen Gesangs?
Geistliche Musik überstieg gerade im 19. Jhd. immer wieder den Raum der Kirchenmusik, so wie Religiosität schon immer die Grenzen verfasster Religionen überstieg. Gegen geistige Enge der Religionen befreit sich Religiosität immer wieder neu. Romantische Religiosität, als eine der Ausformungen geschichtlicher Formen von Religiosität, drückte sich in besonderem Masse in Poesie und Musik aus. Schumanns Vertonung von Eichendorfs Gedicht «Mondnacht» ist ein ergreifendes Beispiel solch romantischer Religiosität.
Hier zu hören! (4'44)
Hörbegleiter:
Strophe 1
«Zart, heimlich» ist dieser dreiteilige Gesang überschrieben. Schon die ersten beiden Töne im Nonenklang der Klaviereinleitung spannen sich über vier Oktaven und öffnen eine geistige Weite zwischen Irdischem und Himmlischem. Die schweifende Harmonik gibt dem Lied sofort etwas Grenzenloses, die Quart- und Quintintervalle im Bass zusätzlich etwas Mystisches.
Dann beginnt die erste Strophe in pochendem Herzensrhythmus, zuerst mit natürlichem h, das sich mit einem Cis zur Sekunde weitet. In fis-moll, der Dominante von E-Dur, steigt die Gesangsstimme empor und verwandelt die konjunktivistische Formulierung Eichendorffs «Es ist, als hätt’…» in poetisch schwebende Musik. Leise Repetitionen und ein weiteres, ruhiges Sich-Ausbreiten der Melodie schaffen die Atmosphäre eines romantischen Ich-Bewusstseins.
Strophe 2
Die Klaviereinleitung des Beginns wird wiederholt. Die schwebenden Sechzehntel klingen nun wie eine sanfte Brise der Nacht über Felder und Wälder, und wieder tendiert die Melodie von der schweifenden fis-moll-Dominante in Richtung der Tonika E-Dur.
Strophe 3:
Der Übergang vom romantischen Naturerleben zur eigenen Selbstwahrnehmung verändert die Musik der dritten Strophe. Die Klaviereinleitung des Anfangs ist jetzt als Gegenstimme direkt mit der emphatisch sich aufschwingenden Gesangsmelodie verflochten. Der Gesang endet schliesslich nicht auf der Tonika, sondern auf dem geheimnisvollen, dissonanten Quintsextakkord Gis-H D E. Das Nachspiel lässt die Klaviereinleitung dann aber in die romantische Weite religiösen Ich-Bewusstseins ausklingen.
Mondnacht
Es war, als hätt’ der Himmel,
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst’.