Die Tenöre stimmen als Vorsänger eine schlichte aufsteigende Melodie in As-Dur an, wobei jeder Silbe des «Pater noster» ein Ton entspricht. Der sechsstimmige Chor übernimmt die Melodie der Vorsänger, allerdings wird die altkirchlich wirkende Stimmung romantisch harmonisiert und vom Orgelklang zurückhaltend begleitet.
Dolce und sempre legato beginnt das «sanctificetur» auf den gleichen Tönen as – b – c, variiert aber dann die Melodieführung und Harmonie und strebt auf den Moment zu, wo der ganze Chor unisono das für Gott stehende «nomen» majestätisch hervorhebt. Ausklingend lässt der Chor erahnen, wie sich der unaussprechliche Namen uns zuwendet.
In C-Dur bitten die Vorsängerinnen (jetzt die Altstimmen) um das Kommen des Reiches. Der Chor stimmt ein, seine Melodie steigt leicht an, bleibt aber ruhig und gleichmässig. Mehrmals wird die Sehnsucht des «adveniat» variiert, die Chorklänge bleiben auf Hoffnung, Zuversicht und auf einen neuen Zustand der Welt («regnum tuum») ausgerichtet.
Mollgetrübt setzt das «Fiat voluntas» kanonisch in allen Stimmen ein, und je weiter die Gebetsbitte ausgesungen wird, desto mehr wird den bittenden Chorstimmen klar, dass das Geschehen auf Erden «Deinem Willen» nicht entspricht.
Es bleibt der Blick nach oben «in caelo». Liszt gelingt eine «himmlische» Melodiewendung auf «caelo» in den Oberstimmen, die zweimal wiederholt wird, dann aber kehrt der Chor immer mehr in irdische Einfachheit zurück. Homophone und imitatorische Elemente wechseln, Erde und Himmel werden durch den Willen Gottes verbunden, musikalisch symbolisiert durch parallele Wiederholungen des gleichen Chorsatzes.
Als eine Art falsche Reprise kommt das Pater-noster-Thema zurück, jetzt auf die alltäglichen Worte «panem nostrum» und in G-Dur. Die abwärtsführende Melodie beim «da nobis hodie» drückt die Demut der Bitte aus.
Die tägliche Nahrungssuche führt direkt zu einer Molltrübung der Modulationen, denn es geht um das Wahrnehmen von Schuld. Ein Crescendo führt zur Bitte um Vergebung und zur Einsicht, selbst zu vergeben.
A tempo und dynamisch steigert sich der Chor zum grossen Befreiungsschrei «libera nos a malo».
Die Rückkehr zur Tonika As-Dur führt im Chor zu einem fugierten Schluss-Amen, wie immer diskret von der Orgel begleitet, und zu einer hoffenden und glaubenden Bekräftigung des Gebets.
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