Anton Bruckner: Sanctus und Benedictus aus der Messe Nr. 3 in F (1867-68)

                            Beginn des Benedictus, aus der Missa Nr. 3 in F: 

Anton Bruckner:
geboren 4. Sept. 1824 in Ansfelden, Oberösterreich
gestorben 11. Okt. 1896 in Wien

Komposition:
entstanden 1867-68
uraufgeführt am 16. Juni 1872 in der Wiener Augustinerkirche, Leitung Anton Bruckner

Aufnahmen:
zahlreiche CD-Aufnahmen und Aufnahmen auf Youtube, z. B:
1996 Corydons Singers and Orchestra, Matthew Best
1996 Dänischer Rundfunkchor NDR Chor NDR Sinfonieorchester, Herbert Blomstedt
2015 Philharmonischer Chor München, Philharmonie Festiva, Gerd Schaller


„Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er sass auf einem hohen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füsse, und mit zwei flogen sie. Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt. Die Türschwellen bebten bei ihrem lauten Ruf, und der Tempel füllte sich mit Rauch.“ (Jes 6,1–4)

Diese Vision eines alten Propheten stammt aus dem 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Sie verwandelte sich im Laufe der Religionsgeschichte zu einem Bestandteil der katholischen Messe, wie sie Bruckner im 19. Jhd. vorlag. Aus dieser langen rituellen Tradition von Liturgien hervorgegangen, wurde Bruckner schliesslich einer der grössten Sinfoniker des 19. Jahrhunderts.

Denn in seiner kirchenmusikalischen Praxis als junger komponierender (Hilfs-) Organist in Windhaag, Kronsdorf , St. Florian, Linz eignete sich Anton Bruckner immer perfektere Kenntnisse in Kontrapunkt und Komposition an. Er sei «bei der Kirchenmusik aufgewachsen», sagte er einmal. Denn sein musikalisches Hauptziel wurde immer mehr das Komponieren von Sinfonien. Dazu wollte er nach Wien ziehen, um das, was er mit seinen früheren Sinfonien begonnen hatte, professionell in der Musikstadt Wien zu vollenden. Dabei war seine katholische Religiosität sowohl für seine Kirchenmusik wie auch für seine Sinfonien prägend, was nicht heisst, dass Bruckner unkritisch fromm war. Immerhin las und beurteilte Bruckner auch David Friedrichs Strauss Buch «Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet» (erschienen erstmals 1835-36) «ruhig und sachlich» (Vgl. Rüdiger Görner, Bruckner. Der Anarch in der Musik, s. 340). Existentiell durchlebte Bruckner schwere psychische Krisen, wo auch der Glaube nicht einfach half.

Aus Wien erhielt er im Frühjahr 1867 von der Wiener Hofkapelle einen Auftrag, eine neue Messe zu schreiben. Schon mehrmals seit seiner Windhaag-Zeit hat Bruckner Messen vertont, und sie wurden immer länger und aufwändiger. Im Sommer 1867 musste er nach einem psychischen Zusammenbruch in eine Wasserkur nach Bad Kreuzen. Nach der Genesung begann er mit der Arbeit an der Messe. Aus dritter Hand ist eine Erinnerung des alten Bruckners überliefert, wo er gesagt haben soll: «Am Weihnachtsabend 1867, nach einer Stunde brünstiger Andacht, sei ihm die Melodie des Benedictus zur f-moll Messe eingefallen, mit der er, der dem Irrsinn nahe gewesen, sich wieder gefunden habe.» (enthalten in der neuen, ausgezeichneten Biografie: Felix Diergarten, Anton Bruckner. Ein Leben mit Musik s. 90). Wie echt auch immer diese Erinnerung ist, diese Melodie hat Bruckner dann auch im langsamen Satz der 2. Sinfonie wieder verwendet, offensichtlich war sie ihm gerade auch religiös sehr wichtig.

Weil sich die Uraufführung der f-moll Messe (Bruckner selbst bezeichnete sie als Messe in F!) verzögerte, - die Gründe sind nicht mehr genau eruierbar – organisierte und leitete Bruckner später am 16. Juni 1872 auf eigene Kosten die Uraufführung. Die eigenen Kosten beliefen sich immerhin auf zweieinhalb Mal mehr, als Bruckner damals in einem Monat verdiente!

Hier zu hören:

Sanctus
Benedictus



Hörbegleiter:

Sanctus - Moderato

Die irdische Sanctus-Gesangs-melodie der sich abwechselnden Frauen- und Männerstimmen ist gleich zu Beginn verwoben mit den schwebenden Flötenmelo-dien, die wohl himmlische Engelsvorstellungen des 19. Jhd. assoziieren sollen.

Ansteigend wächst der ehrfurchts-voll leise F-Dur Beginn zu einer grossartigen symphonischen C-Dur-Epiphanie, denn es wird der heilige Name Gottes angerufen. "Sanctus" wird nochmals leise und ergriffen wiederholt.

Wieder in F-Dur besingt der Chor das dynamische, evolutive Innewohnen Gottes in der Schöpfung und bejubelt diese Erfahrung mit mehreren Hosianna-Rufen.

Benedictus - Allegro moderato

Ein Streichervorspiel bringt die genesungsschaffende As-Dur Melodie in den Celli und schafft sogleich eine intime milde Atmosphäre. Sie kontrastiert wohltuend mit den verklungenen, erhabenen Hosanna-Rufen: Transzendenz lässt sich auch musikalisch nicht eindimensional festmachen. Harmonisch erweist sich die Melodie als ein typisches brucknerisches Wechselspiel zwischen einfachen, liedhaften Klängen und wagnerischer Chromatik.

Nacheinander setzen dann die Solisten ein, mit ihrem Lob-Singen auf den, der da kommen wird. Zum ausdruckstarken Bass-Solo bringt der Frauenchor noch ein Wechsel-motiv ins Spiel. Mit dem Eintritt des gesamten Chores beginnt wieder das Hauptthema dieses Sonaten-satzes. Tenor und Bass singen darauf die Überleitung zum zweiten Thema.

Eingeführt von der ersten Geigen-stimme und auf den gleichen Text «Benedictus» singt der Sopran das zweite Thema, ein sich verneigen-des Bogenthema in Es-Dur, das breit und in wechselnden Har-monien ausgereizt wird. Auch der Chor schliesst sich mit seinen Benedictus-Rufen an, bevor statt einer Durchführung die allein-spielenden Geigen in weitem Bogen direkt in die Reprise hin-führen.

Die Reprise wird vom Chor ohne Solisten gestaltet. Zum ersten Thema fügt sich immer wieder das Wechselmotiv dazu. Das zweite Thema erscheint in den Holzbläsern wieder und wird im Wechsel mit dem A-capella-Gesang des Chores auf Benedictus als verkürzte Reprise wiederholt. Ein Orchesternachspiel beschliesst den Benedictus-Gesang.

Angeführt von den Solisten werden die Hosianna-Rufe festlich von Chor und Orchester wieder-holt. Gott erhaben hoch im Universum verbindet sich wieder mit dem heilenden Gott im Innern der Psyche.

Sanctus, Sanctus, Sanctus
Dominus Deus Sabaoth.














Pleni sunt caeli et terra
gloria tua. 
Hosanna in excelsis.



Benedictus - Allegro moderato
















Benedictus qui venit
in nomine Domini.









Benedictus qui venit












Benedictus qui venit
in nomine Domini.









Hosanna in excelsis.

Heilig, heilig, heilig Gott,
Herr aller Mächte und Gewalten.














Erfüllt sind Himmel und Erde
von deiner Herrlichkeit. 
Hosanna in der Höhe.



Benedictus - Allegro moderato
















Gelobet sei, der da kommt
im Namen des Herren.









Gelobet sei, der da kommt












Gelobet sei, der da kommt
im Namen des Herren.









Hosianna in der Höhe.

 

Hinweis für Musikinteressierte

Website: Unbekannte Violinkonzerte

 


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