Anton Bruckner: Psalm 150 in C-Dur für Sopran, gemischten Chor und Orchester WAB 38 (1892)

Anton Bruckner, 
geboren 4. Sept. 1824 in Ansfelden, Oberösterreich
gestorben 11. Okt. 1896 in Wien

Uraufführung:
13. Nov. 1892 in Wien unter der Leitung von Wilhelm Gericke

CD-Aufnahmen:
1950 Hilde Ceska, Wiener Akademie-Kammerchor, Wiener Symphoniker, Leitung: Henry Swoboda
1965 Maria Stader, Chor der Deutschen Oper Berlin, Berliner Philharmoniker, Leitung: Eugen Jochum
1992 Juliet Booth, Corydon Singers & Orchestra, Leitung: Matthew Best
1996 Pamela Coburn, Gächinger Kantorei Stuttgart, Bach-Collegium Stuttgart, Leitung: Helmuth Rilling
u.a.

 



Der Festhymnus Psalm 150 gehört zu Bruckners letzten Werken und war ein Auftrag für die internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesens im Sommer 1892 im Wiener Prater. Dass Bruckner diesen Auftrag bekommen hatte, zeigt, dass Bruckner seit dem Erfolg der 7. Sinfonie als Komponist in der internationalen Musikwelt angekommen war. Bruckner konnte zwischen dem Psalm 98 und 150 auswählen. «Wegen seiner besonderen Feierlichkeit» wählte Bruckner Psalm 150, und zwar wie vorgegeben in der Übersetzung von Martin Luther.

Bruckner sah aber sofort, als er den Auftrag annahm, dass er angesichts seiner Altersbeschwerden mit dem Termin nicht zurechtkommen würde. Die Uraufführung fand erst im November 1892 statt.

Selbst der Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick, der gegenüber Bruckner immer sehr kritisch eingestellt war, lobte den Anfang von Psalm 150 als vortrefflich: «Bruckners Muse ist die Ekstase… Der Psalmtext verleitet allerdings zu einem gewaltigen Aufgebot von Kraft und Klangfülle». Und am Schluss des Zeitungsartikels wird Hanslicks Urteil immer brucknerkritischer: «Die neue Composition Bruckner’s entbehrt nicht der äusserlichen Wirkung, ist aber nach ihrem künstlerischen Gehalt mit seinem Te Deum nicht zu vergleichen» (Neue freie Presse 17.11.1892, abgedruckt in Felix Diergarten: Anton Bruckner: Das geistliche Werke, Salzburg/Wien 2023)

Bruckner selbst nannte seinen Psalm 150 die «allerbeste Fest-Cantate» und verglich ihn ebenfalls mit seinem Te Deum: «Der Psalm ist ungefähr im Sinne des Te Deum geschrieben, aber kürzer». Bruckner gelingt in seinem späten Werk eine Verschmelzung von symphonischem Stil und Vokalmusik. Es wird sogar ab und zu von einer symphonischen Dichtung gesprochen.

Als Abschluss des biblischen Buchs der Psalmen hat Psalm 150 immer wieder Musiker angesprochen, denn der Musik wird darin die Funktion des Lobes Gottes zugesprochen, etwas was Poesie und Rituale schwieriger ausdrücken können. Auch in Bruckners Psalm kann man verschiedene Dimensionen Gottes entdecken. Es ist nicht nur die Ekstase hervorrufende Fülle und Macht Gottes. Das transzendente Mysterium als weitere Dimension Gottes löst ehrfurchtvolles Zurückweichen aus, und das unvorstellbar Grosse und Schöpferische in Gott, eben alles, «was Odem gibt», animiert Bruckner zu höchster menschlicher Kreativität. Bruckner gelingt in seinem Werk eine Verschmelzung von neuem symphonischem Stil und traditioneller vokaler Kunst.

Hier zu hören! (ca. 8 ½ Min.)

 

Hörbegleiter:

Psalm 150

«Mehr langsam! Feierlich und kräftig», schreibt Bruckner über den grossartig wirkenden Unisono-C-Dur-Anfang, dem ein Achtel-Anlauf der Streicher folgt, bis der Chor hymnisch und ebenfalls mit Achtel-Figuren eine leicht abgeänderten Variante des Anfangs zum Psalmwort «Halleluja» singt. Dreimal wiederholt der Chor sein Hauptmotiv, immer etwas höher ansetzend und doppelt punktiert. Dann tritt der nun a-cappella singende Chor gleichsam ehrfurchtsvoll zurück.

Verhalten beginnen zuerst die Frauenstimmen , dann kommen die Männer dazu und loben ihn im Heiligtum und alle zusammen preisen Gott wegen seiner grossen Taten. Das Orchester begleitet in Geigen und Bass mit je eigenen Motiven. Alles zielt auf das Wort «Herrlichkeit» zu (Dominantseptakkord im Fortissimo!).

Mit dem Partiturhinweis «Bewegter» folgt der 3. Vers. Ein Posaunenmotiv und lebhafte Geigenfiguren erklingen über einem Orgelpunkt auf dem Ton g. Der Chor singt homophon und zählt alle antiken Instrumente auf, die in einem wachsenden chromatischen aufsteigenden Crescendo dazukommen. Zuletzt verebbt der Zusammenklang wieder absinkend bei den nachklingenden Zimbeln.

Dreimal nacheinander wird nun der allüberall Odem-Gebende in geheimnisvollem Ton gepriesen: zuerst beginnen die Frauenstimmen des Chors, dann kommt zusätzlich eine lyrische Sologeige dazu und schliesslich mit melismenreicher Stimmführung leuchtend der Solo-Sopran. Wieder verklingen Solo und Chor a cappella, dieses Mal unisono auf einem e, nur die Geigen führen noch aufsteigend hin zu einer erwartungsschwangeren General-Pause.

Der Psalmtext ist damit zu Ende gesungen, aber der symphonische Überschuss treibt zum ekstatischen Klangerlebnis einer Reprise in vollem C-Dur des Anfangs.
Wieder wiederholen Orchester und Chor dreimal hintereinander ihr Hauptmotiv, immer etwas höher ansetzend und doppelt punktiert. Und der A-cappella-Chor führt wieder ehrfurchtsvoll zu einem Schlusspunkt und einer Generalpause.

Damit schliesst Bruckner eine kunstvolle Fuge auf den 5. Vers des Psalmes an. Ein orchestral empfundenes Chorfugenthema mit Oktavsprüngen und eine Kontrapunkt in den Geigen wird mehrmals durchgeführt. Deutlich Hörbar sind die Oktavsprünge in den Chorstimmen und auch im Orchester. Die Fuge steigert sich bis zu einem Höhepunkt auf den Hochton b zum Wort «Alles». Chromatisch sinken die Chorstimmen abwärts nach D-Dur und finden über Spannung zeugenden harmonischen Rückungen zurück zu C-Dur und zum ekstatischen Anfangsjubel auf das Wort «Halleluja». Trompetenfanfaren und Achtel-Motive ergänzen den Chor zu einem charakteristisch sinfonischen Schluss.

Psalm 150

1 Halleluja! 









Lobet Gott in seinem Heiligtum,
lobet ihn in der Feste seiner Macht!
2 Lobet ihn für seine Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit!



3 Lobet ihn mit Posaunen,
lobet ihn mit Psalter und Harfen!
4 Lobet ihn mit Pauken und Reigen,
lobet ihn mit Saiten und Pfeifen!
5 Lobet ihn mit hellen Zimbeln,
lobet ihn mit klingenden Zimbeln!


6 Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!
Halleluja!







Halleluja!








Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!









Halleluja!

Hinweis für Musikinteressierte

Website: Unbekannte Violinkonzerte