Psalm 150
«Mehr langsam! Feierlich und kräftig», schreibt Bruckner über den grossartig wirkenden Unisono-C-Dur-Anfang, dem ein Achtel-Anlauf der Streicher folgt, bis der Chor hymnisch und ebenfalls mit Achtel-Figuren eine leicht abgeänderten Variante des Anfangs zum Psalmwort «Halleluja» singt. Dreimal wiederholt der Chor sein Hauptmotiv, immer etwas höher ansetzend und doppelt punktiert. Dann tritt der nun a-cappella singende Chor gleichsam ehrfurchtsvoll zurück.
Verhalten beginnen zuerst die Frauenstimmen , dann kommen die Männer dazu und loben ihn im Heiligtum und alle zusammen preisen Gott wegen seiner grossen Taten. Das Orchester begleitet in Geigen und Bass mit je eigenen Motiven. Alles zielt auf das Wort «Herrlichkeit» zu (Dominantseptakkord im Fortissimo!).
Mit dem Partiturhinweis «Bewegter» folgt der 3. Vers. Ein Posaunenmotiv und lebhafte Geigenfiguren erklingen über einem Orgelpunkt auf dem Ton g. Der Chor singt homophon und zählt alle antiken Instrumente auf, die in einem wachsenden chromatischen aufsteigenden Crescendo dazukommen. Zuletzt verebbt der Zusammenklang wieder absinkend bei den nachklingenden Zimbeln.
Dreimal nacheinander wird nun der allüberall Odem-Gebende in geheimnisvollem Ton gepriesen: zuerst beginnen die Frauenstimmen des Chors, dann kommt zusätzlich eine lyrische Sologeige dazu und schliesslich mit melismenreicher Stimmführung leuchtend der Solo-Sopran. Wieder verklingen Solo und Chor a cappella, dieses Mal unisono auf einem e, nur die Geigen führen noch aufsteigend hin zu einer erwartungsschwangeren General-Pause.
Der Psalmtext ist damit zu Ende gesungen, aber der symphonische Überschuss treibt zum ekstatischen Klangerlebnis einer Reprise in vollem C-Dur des Anfangs.
Wieder wiederholen Orchester und Chor dreimal hintereinander ihr Hauptmotiv, immer etwas höher ansetzend und doppelt punktiert. Und der A-cappella-Chor führt wieder ehrfurchtsvoll zu einem Schlusspunkt und einer Generalpause.
Damit schliesst Bruckner eine kunstvolle Fuge auf den 5. Vers des Psalmes an. Ein orchestral empfundenes Chorfugenthema mit Oktavsprüngen und eine Kontrapunkt in den Geigen wird mehrmals durchgeführt. Deutlich Hörbar sind die Oktavsprünge in den Chorstimmen und auch im Orchester. Die Fuge steigert sich bis zu einem Höhepunkt auf den Hochton b zum Wort «Alles». Chromatisch sinken die Chorstimmen abwärts nach D-Dur und finden über Spannung zeugenden harmonischen Rückungen zurück zu C-Dur und zum ekstatischen Anfangsjubel auf das Wort «Halleluja». Trompetenfanfaren und Achtel-Motive ergänzen den Chor zu einem charakteristisch sinfonischen Schluss.