Franz Schubert: «Du bist die Ruh» D 776 (1823)

Franz Schubert
geboren 31. Januar 1797 in Himmelpfortgrund, heute Wien (9. Bezirk)
gestorben 19. Nov. 1828 in Wieden, Wien 4. Bezirk

Entstehungszeit:
Text von Friedrich Rückert (1788–1866)
1822: Gedicht publiziert in: Friedrich Rückert : Östliche Rosen, Leipzig  
1823 Vertonung durch Franz Schubert
Erstveröffentlichung 1826 - Vienna: Sauer & Leidesdorf, Plate 932

Aufnahmen
siehe vielfältige CD-Aufnahmen vieler bedeutender Sängerinnen und Sänger

 

 

 

 

Erste Meisterschaft erreichte der junge Schubert mit der Vertonung von Liedern. Lieder werden ihn das ganze kurze Komponistenleben begleiten, waren Lieder doch in kleinsten geselligen Kontexten aufführbar. Über Franz Schuberts lyrische Begabung schreibt der Musikwissenschaftler Hans-Joachim Hinrichsen: «Fast alles, was Schubert in Gedichtform begegnete, verwandelte sich ihm in Musik, und zwar sehr unabhängig von dem, was Literaturkritik gemeinhin an Lyrik als poetische Qualität empfindet.» (s. 33). Zwischen 1822 und 1823 entdeckte Schubert Gedichte von Friedrich Rückert. Es war wohl Schuberts Freund Franz von Schober, der Schubert die neue, eben erschiene Gedichtsammlung «Östliche Rosen» von Friedrich Rückert auslieh.

 Das Gedicht «Du bist die Ruh» von Friedrich Rückert (1788 – 1866) erschien 1822 vorerst ohne Titel. Als Orientalist und Dichter wollte Rückert seine Lesenden in die Mystik der orientalischen Dichtung einführen, so ähnlich wie Goethe mit seinem West-östlichen Divan ein paar Jahre vorher auf Dichter wie Hafis aufmerksam machte: «Orient und Occident / Sind nicht mehr zu trennen.»

Dass Rückerts Gedicht sowohl als Liebeslyrik wie auch als religiöses Gebet verstanden werden kann, ist wie in der persischen Sufi-Mystik nicht zu trennen. Es geht um die Liebe als Movens des Universums. Es ist die Liebe, die das ganze Universum belebt.

 Schubert fängt mit seiner musikalischen Umsetzung dieses Gedichts beide Dimensionen sowohl der Sehnsucht wie der Liebe ein, was die Interpretation dieses Liedes nicht einfach macht.

 

Hier zu hören! (ca. 5 ½ Min.)

Hörbegleiter 

Das Lied beginnt mit bewegten Sechzehnteln im Dreiertakt. Es umkreist in der Klaviereinleitung Es-Dur. Schon die erste Strophe spricht das Sehnsuchtssubjekt «Du» an und verbindet es mit Ruh, Frieden und Stillen der Sehnsucht, indem eine schlichte Liedmelodie pianissimo und in der Tempobezeichnung larghetto (ziemlich langsam) stufenweis aufwärtssteigt und nach den ersten vier Takten gleich nochmals wiederholt wird. Das Klavier trägt mit seinem immergleichen tiefen Ton C  zur Grundstimmung «Ruhe» bei.

Mit dem religiösen Ausdruck «ich weihe» wechselt die Harmonie und drückt mittels sekundären Dominant- und Leittonakkorden Schmerz und Spannung aus. Auf «Mein Aug und Herz» wird die Stimme erregter, wiederholt den Text und lässt eine einladende Schlusswendung folgen, die im Ohr haften bleibt. Im gesamten Lied setzt Schubert Wörter wie „Freude“ auf die Tonika und Wörter wie „Schmerz“ auf die Dominantharmonien.

Nach einer leisen, aber über einem tiefen Es harmonisch schweifenden Überleitung des Klaviers folgt eine fast genaue musikalische Wiederholung der Melodie in den nächsten zwei Strophen.

Textlich steht hier bei Rückert der zentrale Inhalt, das Liebesgeschehen, die Einkehr der Liebe ins Herz des Liebenden. Rückert versah das Gedicht denn auch in einer weiteren Auflage mit dem Titel «Kehr ein bei mir».

Auch hier werden die letzten Worte zum Schluss wiederholt, um die harmonische Auflösung mit der gleichen eindrücklichen melodischen Wendung wirkungsvoll zu verlängern.

Bei Schuber folgt nun die Hauptaussage des Liedes im dritten abschliessenden Teil: Das Auge ist erfüllt vom Licht, die von der Liebe ausstrahlt. Nach der Überleitung beginnt die letzte Strophe wie bisher auf Es. Nach zwei Takten, wo bisher c-moll folgte, moduliert Schubert jetzt auf die der Es-Dur- Skala ferne Tonart Ces-Dur, was eine blendende Wirkung hat. Die Stimme wird emphatisch. Zudem steigt die Melodie stufenweise strahlend über fremde Akkorde und Quintparallelen hoch bis zur Septime, und endet noch ein wiederholtes Mal nach waghalsiger Harmonik und Spannung auf «erhellt» in As-Dur. Erst in einer langauszuhaltenden Stille kommt sie erschöpft zur Ruhe.    

Die Bitte am Ende dieses Liebes-Gebets übernimmt die bisherigen musikalischen Wendungen. Die Stimme endet aber nicht auf Es, sondern auf der Quinte B und dem offenen Dominantseptakkord, erwartungsvoll und nach oben ausgerichtet. Erst das Klavier bringt dann tiefer das abschliessende Es.

Du bist die Ruh,
Der Friede mild,
Die Sehnsucht du
Und was sie stillt.








Ich weihe dir
Voll Lust und Schmerz
Zur Wohnung hier
Mein Aug und Herz.





Kehr ein bei mir,
Und schliesse du
Still hinter dir
Die Pforten zu.

Treib andern Schmerz
Aus dieser Brust!
Voll sei dies Herz
Von deiner Lust.






Dies Augenzelt
Von deinem Glanz
Allein erhellt,
O füll es ganz!

Hinweis für Musikinteressierte

Website: Unbekannte Violinkonzerte

 

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